Aus der Einführung in die Ausstellung des Kunstvereins Radolfzell, Villa Bosch 2020
Geschweisst und Gedruckt
Dr. Andreas Gabelmann, Kunsthistoriker, Radolfzell
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Stark und massiv, fragil und transparent, filigran und wuchtig: So begegnen uns die Eisenplastiken von FEROSE. Freistehende Skulpturen und reliefhafte Wandarbeiten, von der Künstlerin auch „Hüllen“ und „Fragmente“ genannt, prägen ihr bildhauerisches Schaffen. Die ebenso archaische wie anmutige Form gewinnen die Werke durch geschweißtes Eisen. In einem konzentrierten, oft über mehrere Monate andauernden Arbeitsprozess fügt FEROSE eine Vielzahl einzelner Stäbe aneinander, die im unterschiedlich dichten Verbund ein eindrucksvolles Spektrum verschiedenster Oberflächenstrukturen und Materialtexturen entstehen lassen. „ Die offene Flamme macht das Eisen flüssig, es wird Tropfen für Tropfen verbunden, strukturiert. Es kühlt ab, wird fest. Die Hitze hinterlässt ihre Spur“, erklärt FEROSE dieses zeit- und arbeitsaufwendige Verfahren.
Die teils überlebensgroßen Werke entfalten ihre außerordentliche Wirkung im Wechselspiel zwischen konstruktivem Aufbau und organisch gewachsener Anmutung. „Die Formen wachsen – verdichten sich. Das an sich kraftvolle Eisen wird sensibel – lebendig.“ , beschreibt die Künstlerin diesen Ausdruck. Die herbe Eigensprache des Materials, die spezifischen Bedingungen des Werkstoffes Eisen gelangen unmittelbar zur Geltung und prägen ganz wesentlich die besondere Aura der Arbeiten. Lebhafte Oberflächenqualitäten zwischen rau und porös, glatt und glänzend, durchbrochen und schroff, netzartig gespannt oder wandartig geschlossen, bestimmen den starken Reiz von FEROSEs Plastiken. Wie brüchige Haut, eine schwingende Membran, ein offenporiges Gewebe umschließen die Flächen und linearen Gebilde definierte Räume.
Ein vielschichtiges Wechselspiel zwischen Außen und Innen, Hülle und Inhalt, Umfassen und Verbergen, Schützen und Offenlegen, Volumen und Umraum, dehnt sich dem Betrachter entgegen. Manche Arbeiten wirken wie urtümliche Behausungen, erinnern an zeltartige Unterstände, Kuppeln oder Hütten. Andere wecken Assoziationen an rudimentäre Gefäße oder textile Stofflichkeiten, wieder andere vermitteln den Charakter von Fragmenten oder Fundstücken, auf deren wie verwittert wirkenden Oberflächen gezielte Rostprozesse patinaartige Texturen hervorgebracht haben. Immer spannt FEROSE dabei den Bogen zwischen einer fragilen Durchlässigkeit und einer hermetischen Geschlossenheit der Formen und Flächen.Vor allem in den zweidimensional konzipierten Wandobjekten erfahren die reliefartigen Oberflächen mit ihren feinen Nuancen der Farbtöne und den sichtbaren Bearbeitungsspuren bisweilen einen geradezu malerisch oder graphisch anmutenden Ausdruck. Ebenso rufen die Wandtafeln Assoziationen an naturhafte Strukturen wie Erosionen, Baumrinden, Pflanzenfasern oder Wellenbewegungen wach.
Auch scheinen die Plastiken eine innere Kraft zu besitzen, die nach außen drängt und die strengen Formgebilde zum Pulsieren und Atmen bringt, deren Energie die teils dünnwandigen, teils netzartigen Ummantelungen durchdringen und gleichermaßen sinnlich wie emotional auf den Betrachter einwirken. Durch FEROSEs virtuosen Umgang mit der Technik der Eisenbildhauerei wird die Schwere des harten Materials aufgehoben und wandelt sich zu feingliedrigen, bisweilen luftig wirkenden Strukturen, die wie zarte Gewebe sanft ein- und ausschwingen. In gitterartigen Wandskulpturen unternimmt FEROSE eine dynamische Durchdringung von Linie und Raum. Nicht selten erfahren die Werke, vor allem im Kontext von Natur und Landschaft, eine überraschende Leichtigkeit, erscheinen geradezu grazil und elegant, behaupten sich dann auch wieder machtvoll und monumental im Raum.
Stelenartig emporragend oder breitgelagert ausgreifend, an der Wand hängend oder am Boden liegend, suchen die stets ohne Sockel konzipierten Arbeiten den unmittelbaren Bezug zum Umraum und binden den Betrachter auf eindringliche Weise in ihre elementare Aussage und Wirkung ein.
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Aus der Vernissagerede von Dr. Albert Kümmel-Schnur im Klostermuseum Bad Schussenried
"Das Schwer-Düstere des Materials wird aufgehoben in der Leichtigkeit der Körper, die wie Netz oder gar Form gewordene Schattenrisse, Spuren von Lichtbewegungen auf einem Waldweg, erscheinen."
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Aus der Vernissagerede der Ausstellung Sigriswil
von der Kunsthistorikerin/Kunstvermittlerin Simone Flüeler
"Doch Eisen ist nicht nur ein hartes und starkes Material und der verlängerte Arm des Zorns und der Macht, Eisen ist auch das Material, was das Innerste der Welt zusammenhält. Denn Eisen ist zusammen mit Nickel wahrscheinlich der Hauptbestandteil des Erdkerns. Vermutlich angetrieben von thermischen Kräften erzeugen Konvektionsströmungen von flüssigem Eisen im äusseren Kern das Erdmagnetfeld. Ausserdem ist Eisen für Lebewesen ein lebensnotwendiges Spurenelement. Eisen bedeutet also zugleich Leben und Tod. Diese Widersprüchlichkeit ist ein zentrales Element der Kunstwerke.
Die eigentlich starren Eisenplastiken scheinen sich der Natur einzuverleiben, denn die Natur ist ein wichtiger Bestandteil der Werke, davon zeugt der stetige und langsame Rostprozess auf deren Oberfläche. Die scheinbar starren Plastiken sind also eigentlich in ständiger Transformation.Doch nicht nur die äussere Schicht, der Rost, verleiht etwas Organisches, die Werke von FEROSE besitzen eine innere Kraft. Die scheinbar fragmentarischen Plastiken, die sich erst vervollständigen innerhalb der Natur- und Berglandschaft, scheinen sich nach der Sonne zu strecken, sie drehen und winden sich, als ob sie die sanften Windhauche spüren."
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"FEROSE Eisenplastikerin" Artikel von Gudrun Hofrichter in der Septemberausgabe 2013 der Zeitschrift Die Drei